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Bei Verfügbarkeit benachrichtigenEine neue Erde: Eckhart Tolle
Nach seinen Bestsellern „Jetzt!“ und „Leben im Jetzt“ geht Eckhart Tolle mit seinem lange erwarteten neuen Buch einen Schritt weiter. „Eine neue Erde“ beschäftigt sich mit dem geistig-seelischen Zustand der Menschheit. Tolle geht davon aus, dass der krankhafte Zustand des menschlichen Geistes zu einer kollektiven Fehlentwicklung geführt hat und wir vor einer gefährlichen Weggabelung stehen. Unsere bisherige Sicht der Welt funktioniert nicht mehr. Wenn wir sie nicht ändern, bewegen wir uns auf zunehmend gefährlichem Terrain mit dem Potenzial zur Selbstzerstörung. Für Tolle existiert jedoch eine Alternative zu diesem düsteren Zukunftsszenario: ein innerer Quantensprung, verbunden mit einem fundamentalen Wandel von unserem alten zu einem gänzlich neuen Bewusstsein. Eckhart Tolle ist davon überzeugt, dass wir am Anfang dieser Bewusstseins-Transformation stehen.
"Es ist ein unideologischer, intelligenter und moderne Leitfaden für inneres Wachstum. Seit ich bewusst denken und fühlen kann, suche ich genau danach." (Leserkommentar)
Eine neue Erde / Eckhart Tolle
1. Inhalt
Das Aufblühen des menschlichen Bewusstseins 11
Evokation 11
Der Zweck dieses Buches 16
Die ererbte Störung 19
Das Erwachen eines neuen Bewusstseins 24
Spiritualität und Religion 28
Die Dringlichkeit einer Transformation 31
Ein neuer Himmel und eine neue Erde 34
2. Ego 35
Der derzeitige Zustand der Menschheit 37
Das illusorische Ich 39
Die Stimme im Kopf 43
Inhalt und Struktur des Ego 47
Die Identifikation mit den Dingen 48
Der verlorene Ring 52
Die Illusion der Besitznahme 56
Verlangen: Das Bedürfnis nach mehr 60
Die Identifikation mit dem Körper 63
Den inneren Körper fühlen 66
Das Vergessen des Seins 68
Von Descartes’ Irrtum zur Einsicht Sartres 69
Der Friede, der höher ist als alle Vernunft 70
3. Der Kern des Ego 75
Sich beklagen und sich ärgern 77
Grimm und Groll 81
Recht haben, ins Unrecht setzen 83
Die Verteidigung einer Illusion 84
Die Wahrheit: relativ oder absolut? 86
Das Ego ist nichts Persönliches 89
Krieg ist eine Denkart 92
Dramatik oder Frieden? 94
Jenseits des Ego – die wahre Identität 95
Alle Strukturen sind instabil 97
Das Überlegenheitsbedürfnis des Ego 99
Ego und Ruhm 101
4. Rollenspiele: Die vielen Gesichter des Ego 103
Schurke, Opfer, Liebhaber 105
Von Selbstdefinitionen ablassen 107
Vorgegebene Rollen 109
Zeitweilige Rollen 112
Der Mönch mit den schweißnassen Händen 113
Wahrhaftes und gespieltes Glücklichsein 114
Elternschaft: Rolle oder Funktion 116
Bewusstes Leiden 120
Bewusste Elternschaft 122
Das Kind anerkennen 124
Das Rollenspiel aufgeben 126
Das pathologische Ego 129
Das latent vorhandene Unglücklichsein 132
Das Geheimnis des Glücks 135
Formen des pathologischen Ego 138
Arbeit – mit und ohne Ego 142
Das Ego bei Krankheit 145
Das kollektive Ego 146
Der unanfechtbare Beweis der Unsterblichkeit 149
5. Der Schmerzkörper 151
Die Geburt der Empfindung 153
Emotion und Ego 156
Die Ente mit dem Menschenverstand 160
Die Last der Vergangenheit 161
Der individuelle und der kollektive Schmerzkörper 164
Wie sich der Schmerzkörper erneuert 167
Wie Gedanken den Schmerzkörper nähren 169
Wie Dramatik den Schmerzkörper nährt 171
Massive Schmerzkörper 175
Unterhaltung, Medien und der Schmerzkörper 176
Der kollektive weibliche Schmerzkörper 179
Der Schmerzkörper von Völkern und Rassen 182
6. Die Befreiung 185
Präsenz 188
Die Rückkehr des Schmerzkörpers 192
Der Schmerzkörper von Kindern 193
Das Unglücklichsein 197
Die Identifikation mit dem Schmerzkörper aufheben 199
Auslöser 203
Der Schmerzkörper als Erwecker 205
Frei werden vom Schmerzkörper 209
7. Wer du wirklich bist 213
Wer du zu sein glaubst 214
Fülle 218
Sich selbst erkennen und etwas über sich erfahren 220
Chaos und höhere Ordnung 222
Gut und schlecht 224
Nichts gegen das haben, was geschieht 227
Ist das so? 228
Das Ego und der gegenwärtige Augenblick 230
Das Paradox der Zeit 234
Die Eliminierung der Zeit 236
Träumer und Traum 238
Über die Grenzen hinausgehen 240
Die Freude am Sein 243
Die Herabsetzung des Ego zulassen 245
Wie innen, so außen 248
8. Die Entdeckung des inneren Raums 253
Objektbewusstsein und Raumbewusstsein 257
Unterhalb und oberhalb des Denkens 259
Das Fernsehen 260
Den inneren Raum erkennen 263
Hörst du den Gebirgsbach? 267
Rechtes Handeln 268
Wahrnehmen, ohne zu benennen 269
Wer macht die Erfahrung? 272
Der Atem 274
Sucht 278
Das Bewusstsein für den inneren Körper 279
Innerer und äußerer Raum 281
Die Lücken wahrnehmen 285
Sich selbst verlieren, um sich zu finden 286
Stille 288
9. Das innere Ziel 289
Erwachen 291
Ein Dialog über das innere Ziel 294
10. Eine neue Erde 313
Eine kurze Geschichte deines Lebens 316
Erwachen und Rückkehr 318
Das Erwachen und der Weg nach außen 322
Bewusstsein 325
Erwachtes Handeln 328
Die drei Modalitäten des erwachten Handelns 329
Bereitwilligkeit 330
Freude 332
Enthusiasmus 336
Die Frequenzerhalter 341
Die neue Erde ist keine Utopie 343
Quellenangaben 347
Leseprobe:
1. Das Aufblühen des menschlichen Bewusstseins
Evokation
Ein Morgen auf der Erde vor 114 Millionen Jahren kurz nach Sonnenaufgang: Die erste Blütenpflanze, die auf dem Planeten erscheint, öffnet ihren Kelch den Strahlen der Sonne. Vor diesem bedeutsamen Augenblick, der eine evolutionäre Verwandlung im Leben der Pflanzen einleitet, war die Erde schon viele Millionen Jahre von Grünpflanzen bedeckt. Die erste Blütenpflanze hat wahrscheinlich nicht lange überlebt, und Blumen müssen über einen langen Zeitraum eine große Seltenheit geblieben sein, da die Umwelt ihre Ausbreitung höchstwahrscheinlich noch nicht begünstigte. Aber eines Tages muss der kritische Punkt überschritten worden sein, und dann gab es plötzlich ein Feuerwerk von Farben und Düften überall auf dem Erdball – nur dass kein wahrnehmendes Bewusstsein da war, um Zeuge dieser Entwicklung zu werden. Erst viel später sollten die zarten, vergänglichen Gebilde, die wir Blumen nennen, eine wesentliche Rolle für die Evolution des Bewusstseins einer anderen Art spielen. Irgendwann waren Menschen von ihnen fasziniert und fühlten sich immer stärker zu ihnen hingezogen. Sowie sich deren Bewusstsein weiterentwickelte, waren Blumen vermutlich das erste physische Objekt, das sie wertschätzten, obwohl es keinen Gebrauchswert für sie hatte, also nicht mit dem Überleben in Zusammenhang stand. Unzählige Künstler, Dichter und Mystiker haben sich von Blumen inspirieren lassen. Jesus hat uns die Lilien auf dem Felde zur Betrachtung und als Vorbild für unser Leben empfohlen. Buddha soll einmal eine »stille Predigt« gehalten haben, indem er eine Blume hoch hielt und sie ansah. Nach einiger Zeit begann ein einzelner Mönch mit Namen Mahakasyapa zu lächeln. Es heißt, er sei der Einzige gewesen, der die Predigt verstanden hat. Der Legende zufolge wurde sein Lächeln (die »Erkenntnis«) von seinen 28 Nachfolgern weitergegeben und begründete schließlich den Zen-Buddhismus.
Einem Menschen, der die Schönheit einer Blume sieht, werden dadurch vielleicht – sei es auch nur flüchtig – die Augen geöffnet für die Schönheit seines eigenen tiefsten Wesens, seiner eigenen wahren Natur. Zum ersten Mal Schönheit zu erkennen war eines der bedeutendsten Ereignisse in der Evolution des menschlichen Bewusstseins. Die Gefühle der Freude und Liebe sind im Innersten mit dieser Erkenntnis verbunden. Ohne dass es uns richtig bewusst war, wurden Blumen für uns zum Form gewordenen Ausdruck des Höchsten, Heiligsten und letztlich Formlosen in uns selbst. Blumen, die flüchtiger, ätherischer und zarter waren als die Grünpflanzen, aus denen sie hervorgingen, wirkten auf uns wie Boten aus einer anderen Welt, wie eine Brücke zwischen der Dimension der physischen Formen und dem Formlosen. Sie verströmten nicht nur einen zarten, dem Menschen angenehmen Geruch, sondern auch Duft aus dem Reich des Geistes. Wenn wir das Wort »Erleuchtung« in einem umfassenderen Sinn begreifen als dem herkömmlichen, können wir Blumen als die Erleuchtung der Pflanzenwelt betrachten. Von jeder Lebensform auf jeder Stufe – ob Stein, Pflanze, Tier oder Mensch – lässt sich sagen, dass sie eine »Erleuchtung« durchläuft. Allerdings ist diese Erscheinung höchst selten, denn es handelt sich nicht bloß um einen evolutionären Fortschritt, sondern es impliziert darüber hinaus einen Bruch in der Entwicklung, einen Sprung zu einer völlig anderen Seinsebene, vor allem jedoch ein Schwinden der Stofflichkeit. Was könnte schwerer und undurchdringlicher sein als Felsgestein, die dichteste aller Formen? Und doch vollzieht sich bei manchen Gesteinen eine Veränderung in der Molekularstruktur, sodass sie sich in Kristalle verwandeln und lichtdurchlässig werden.
Aus Kohlenstoff werden durch unvorstellbare Hitze und Druck Diamanten, aus einigen schweren Mineralien andere Edelsteine. Die meisten kriechenden Reptilien, die erdgebundensten aller Tiere, sind über Jahrmillionen unverändert gleich geblieben. Einige hingegen haben Federn und Flügel entwickelt und sich in Vögel verwandelt, sodass sie sich über die Schwerkraft erheben konnten, an die sie so lange gefesselt waren. Sie verbesserten sich nicht etwa im Kriechen oder Laufen, sondern gingen weit über das Kriechen und Laufen hinaus. Seit undenklichen Zeiten haben Blumen, Kristalle, Edelsteine und Vögel eine besondere geistige Bedeutung für den Menschen. Wie alle Lebensformen sind natürlich auch sie flüchtige Manifestationen des allem zugrunde liegenden einen Lebens und Bewusst- seins. Ihre besondere Bedeutung und der Grund dafür, dass sie von jeher eine solche Faszination auf den Menschen ausgeübt haben und dass er eine solche Nähe zu ihnen empfindet, muss wohl ihren ätherischen Qualitäten zugeschrieben werden. Sobald seine Wahrnehmung von einer gewissen Präsenz, einer stillen, wachen Aufmerksamkeit gekennzeichnet ist, spürt der Mensch die göttliche Lebensessenz, das aller Kreatur und allen Formen des Lebens innewohnende eine Bewusstsein, den einen Geist, und erkennt dessen Einheit mit seinem eigenen Wesen, sodass er es lieben kann wie sich selbst. Bis das geschieht, sehen die meisten Menschen allerdings nur die äußere Form, während ihnen das tiefinnere Wesen entgeht, ebenso wie sie sich ihres eigenen wahren Wesens meist gar nicht bewusst sind, sondern sich nur mit ihrer physischen und psychischen Gestalt identifizieren. Was Blumen, Kristalle, Edelsteine oder Vögel betrifft, so spürt bisweilen sogar jemand, der nur wenig oder gar nicht gegenwärtig ist, dass mehr daran ist als die rein physische Erscheinungsform, und wird, ohne zu wissen, dass dies der eigentliche Grund für die von ihm gefühlte innere Verbindung ist, davon angezogen. Aufgrund ihrer ätherischen Natur kommt der ihnen innewohnende Geist ungehinderter zum Vorschein als bei anderen Lebensformen. Hierzu gehören auch alle neugeborenen Formen des Lebens wie Säuglinge, Welpen, Kätzchen, Lämmer usw. Sie sind zart und zerbrechlich und haben sich noch nicht verfestigt. Eine Unschuld, Süße und Schönheit leuchtet durch sie hindurch, die nicht von dieser Welt ist. Sie entzücken selbst Menschen, die relativ unsensibel sind.
Wenn wir also eine Antenne dafür haben und eine Blume, einen Kristall oder einen Vogel zum Gegenstand unserer Kontemplation machen, ohne sie im Geiste zu benennen, werden sie für uns ein Fenster zum Formlosen. Eine innere Aufgeschlossenheit für das Reich des Geistes stellt sich ein, wenn auch vielleicht kaum wahrnehmbar. Deshalb haben die drei »erleuchteten« Lebensformen seit undenklichen Zeiten eine so wichtige Rolle bei der Evolution des menschlichen Bewusstseins gespielt, zum Beispiel die Lotosblume als Zentralsymbol des Buddhismus oder die weiße Taube als Sinnbild des Heiligen Geistes im Christentum. Sie haben den Boden bereitet für einen tiefer greifenden Wandel im planetarischen Bewusstsein, der auf die Menschheit zukommt. Es handelt sich um ein spirituelles Erwachen, dessen Zeuge wir gerade werden. Der Zweck dieses Buches Ist die Menschheit reif für eine Transformation des Bewusstseins, für ein inneres Erblühen von solcher Radikalität und Tiefe, dass das Aufblühen einer Blume, mag sie auch noch so schön sein, nur ein schwacher Abglanz davon ist? Können die konditionierten geistigen Strukturen von Menschen ihre Undurchdringlichkeit verlieren und wie Kristalle oder Edelsteine durchlässig werden für das Licht des Bewusstseins? Kann der Mensch sich der niederziehenden Schwere von Materialismus und Stofflichkeit entziehen und sich über die Identifikation mit der Form erheben, die das Ego an seinem Platz hält und ihn zur Gefangenschaft in seiner eigenen Persönlichkeit verdammt?
Die Möglichkeit einer solchen Transformation war und ist das zentrale Thema aller großen Weisheitslehren der Menschheit. Deren Botschafter – Buddha, Jesus und andere, die nicht alle bekannt sind – waren die ersten Blumen der Menschheit. Sie waren Vorboten, seltene und kostbare Wesen. Für ein Blütenmeer war es zu jener Zeit noch zu früh, und so wurde ihre Botschaft oft missverstanden und stark verfälscht. Sie hat offenkundig wenig Einfluss auf das menschliche Verhalten gehabt, außer bei einer kleinen Minderheit. Ist die Menschheit jetzt eher reif dafür als zur Zeit der alten Lehrer? Und wenn ja, warum? Was können wir, wenn überhaupt, tun, um diesen inneren Wandel einzuleiten oder zu beschleunigen? Was ist bezeichnend für den alten Egozustand* des Bewusstseins, und woran ist das neu erwachende Bewusstsein zu erkennen? Um diese und andere wichtige Fragen geht es in diesem Buch. Vor allem jedoch ist festzuhalten, dass dieses Buch selbst aus dem erwachenden, neuen Bewusstsein entstanden und infolgedessen selber ein Werkzeug zur Verwandlung ist. Die darin enthaltenen Ideen und Konzepte mögen wichtig sein, aber sie kommen erst an zweiter Stelle. Sie sind lediglich Wegweiser, die auf das Erwachen hinzeigen. Während du das Buch liest, vollzieht sich in dir eine Veränderung.
Das Buch will dich nicht mit neuen Informationen oder Anschauungen befrachten oder von irgendetwas überzeugen, sondern dich aufwecken und einen Bewusstseinswandel bei dir hervorrufen. So gesehen ist das Buch nicht »interessant«. Etwas interessant finden bedeutet, dass man Abstand hält, im Geiste mit den Ideen und Konzepten herumspielt und ihnen zustimmt oder sie ablehnt. Doch in diesem Buch geht es um dich. Wenn es deinen Bewusstseinsstand nicht verändert, hat es keinerlei Nutzen. Es kann aber nur die erwecken, die dafür bereit sind. Nicht jeder ist schon reif dafür, aber immerhin schon einige, und mit jedem Menschen, der erwacht, kommt das kollektive Bewusstsein mehr in Schwung, und alles wird leichter für die anderen. Falls du nicht weißt, was Erwachen bedeutet, lies einfach weiter. Nur im Erwachen selbst kann die wahre Bedeutung des Wortes erfasst werden. Ein flüchtiger Einblick genügt, um den Prozess des Erwachens einzuleiten, der unumkehrbar ist. Für einige wird dieser Einblick kommen, während sie dieses Buch lesen. Bei vielen anderen hat der Prozess vielleicht schon eingesetzt, ohne dass sie es gemerkt haben. Sie werden es beim Lesen erkennen. Bei manchen mag er durch Verlust und Leid in Gang gekommen sein, bei anderen durch den Kontakt zu einem spirituellen Lehrer oder einer spirituellen Lehre, durch die Lektüre von Leben im Jetzt oder ein anderes spirituell lebendiges und daher die Wandlung unter- stützendes Buch – oder durch eine Kombination all dessen, was ich angeführt habe.
Hat der Prozess des Erwachens bereits in dir begonnen, wird er durch die Lektüre dieses Buches beschleunigt und intensiviert. Ein essenzieller Bestandteil des Erwachens ist die Erkenntnis des noch nicht erweckten Selbst, des Ego, wie es denkt, spricht und handelt, und die Einsicht in die kollektiv konditionierten geistigen Vorgänge, die den Zustand des Nichterwachtseins zementieren. Darum zeigt das Buch die Hauptmerkmale des Ego auf und beschreibt, wie sie sowohl beim Einzelnen als auch im Kollektiv wirken. Dies ist aus zwei zusammenhängenden Gründen wichtig: Erstens kannst du, wenn du die Grundmechanismen hinter dem Wirken des Ego nicht kennst, es auch nicht durchschauen, und dann überlistet es dich, sodass du dich immer wieder mit ihm identifizierst. Das heißt, es ergreift Besitz von dir als eine Art Hochstapler, der vortäuscht, du zu sein. Der zweite Grund ist der, dass der Akt der Erkenntnis selbst einer der Wege ist, auf denen das Erwachen stattfindet. Wenn du das Unbewusste in dir erkennst, ist das, was die Erkenntnis möglich macht, das entstehende Bewusstsein, das Erwachen. Du kannst nicht gegen das Ego kämpfen und gewinnen, ebenso wenig wie du gegen die Dunkelheit ankämpfen kannst. Erforderlich ist nur das Licht des Bewusstseins. Du selbst bist dieses Licht. Die ererbte Störung Wenn wir die alten Religionen und spirituellen Traditionen der Menschheit einmal tiefer gehend betrachten, finden wir unter den vielen oberflächlichen Unterschieden zwei grundlegende Einsichten, in denen die meisten von ihnen übereinstimmen. Diese Einsichten mögen mit völlig unterschiedlichen Worten beschrieben werden, aber sie deuten immer auf eine doppelte fundamentale Wahrheit hin. Die erste dieser Einsichten ist die Erkenntnis, dass sich in der »normalen« Geistesverfassung der meisten Menschen ein starker Anteil von etwas bemerkbar macht, das wir Gestörtheit oder sogar Wahnsinn nennen könnten. Gewisse hinduistische Kernlehren kommen der Sache vielleicht am nächsten, wenn sie diese Störung als eine Form kollektiver Geisteskrankheit ansehen. Sie nennen sie Maya, den Schleier der Täuschung. Ramana Maharshi, einer der bedeutendsten indischen Weisen, sagte klipp und klar: »Der Geist ist Maya.« Der Buddhismus bedient sich einer anderen Terminologie.
Laut Buddha erzeugt der menschliche Geist im Normalzustand Duhkha, was als Leiden, Unzufriedenheit oder Qual übersetzt werden kann. Darin sah Buddha ein Merkmal des Menschseins. Wohin man auch geht und was man auch tut, immer begegnet man Duhkha, und es wird sich früher oder später in jeder Situation manifestieren. Nach der christlichen Lehre ist die normale kollektive Verfassung der Menschheit der Zustand der »Erbsünde«. »Sünde« ist ein Wort, das zutiefst missverstanden und fehlinterpretiert worden ist. Wörtlich aus dem Altgriechischen übersetzt, der Sprache, in der das Neue Testament abgefasst wurde, bedeutet sündigen »danebentreffen« wie ein Bogenschütze, der sein Ziel verfehlt; sündigen heißt also, das Ziel des menschlichen Daseins zu verfehlen. Es bedeutet, blind und ungeschickt zu leben und deshalb selbst zu leiden und anderen Leiden zu verursachen. Auch dieses Wort deutet also, sobald es von seinem kulturellen Ballast befreit worden ist und nicht mehr falsch ausgelegt wird, auf eine Störung im Menschsein hin. Die Errungenschaften der Menschheit sind eindrucksvoll und unbestritten. In Musik und Literatur, Malerei, Bildhauerei und Architektur haben wir großartige Werke geschaffen. Wissenschaft und Technik haben in jüngerer Zeit für drastische Veränderungen unseres Lebensstils gesorgt und uns in die Lage versetzt, Dinge zu tun und zu erschaffen, die noch vor 200 Jahren als Wunder betrachtet worden wären.
Kein Zweifel: Der menschliche Geist ist hochintelligent. Aber gerade diese Intelligenz ist von der Störung betroffen. Wissenschaft und Technik haben die destruktive Wirkung der Geistesstörung des Menschen auf die Erde erheblich verstärkt. Darum ist die Störung, der kollektive Wahnsinn, in der Geschichte des 20. Jahrhunderts am deutlichsten zu erkennen. Hinzu kommt, dass die Störung tatsächlich zunimmt und sich beschleunigt. 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Grausame Vernichtungskriege, von Angst, Gier und Machthunger motiviert, ziehen sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte, ebenso wie Sklaverei, Folter und zunehmende Gewaltbereitschaft aus religiösen und ideologischen Gründen. Die Menschen haben mehr unter ihresgleichen gelitten als unter Naturkatastrophen. Bis 1914 hatte der hochintelligente menschliche Geist allerdings nicht nur den Verbrennungsmotor erfunden, sondern auch Panzer, Bomben, Maschinengewehre, U-Boote, Flammenwerfer und Giftgas. Intelligenz im Dienste des Wahnsinns! Während des Stellungskriegs in Frankreich und Belgien starben Millionen Männer wegen einiger Quadratkilometer schlammiger Erde. Als der Krieg 1918 zu Ende war, blickten die Überlebenden fassungslos und voller Entsetzen auf die verheerenden Folgen: zehn Millionen Tote und noch mehr Verstümmelte und Verkrüppelte. Nie zuvor hatte der menschliche Wahnsinn auf so sichtbare Weise eine so destruktive Wirkung entfaltet. Niemand ahnte, dass das erst der Anfang war. Bis zum Ende des Jahrhunderts sollte die Zahl der Menschen, die durch die Hand von Mitmenschen eines gewaltsamen Todes starben, auf über 100 Millionen steigen. Sie starben nicht nur durch Kriege zwischen den Völkern, sondern auch durch Massenvernichtung und Völkermord wie die Juden im unsäglichen Grauen des Holocaust in Nazi-Deutschland oder die etwa 20 Millionen »Klassenfeinde, Spione und Verräter« im Sowjetrussland Stalins. Sie starben aber auch bei zahllosen innerstaatlichen Konflikten wie dem Spanischen Bürgerkrieg oder unter dem Regime der Roten Khmer in Kambodscha, das ein Viertel der kambodschanischen Bevölkerung ermordete.
Wir brauchen uns nur die aktuellen Nachrichtensendungen im Fernsehen anzuschauen, um uns darüber klar zu werden, dass der Wahnsinn keineswegs abgeklungen ist, sondern sich im Gegen- teil bis ins 21. Jahrhundert fortsetzt. Ein weiterer Aspekt der kollektiven Funktionsstörung, an der die Menschheit krankt, ist die beispiellose Gewalt von Menschen gegenüber anderen Lebens- formen und der Erde selbst – die Zerstörung Sauerstoff produzierender Wälder und anderer Vertreter der Fauna und Flora, die Tierquälerei in der industriellen Landwirtschaft, die Vergiftung der Flüsse und Meere und die Verschmutzung der Luft. Von Gier getrieben und ohne ein Gefühl der Verbundenheit mit dem Ganzen, bleiben die Menschen beharrlich bei einem Verhalten, das nur in ihre eigene Vernichtung führen kann (wenn ihm nicht Einhalt geboten wird). Die sichtbaren Formen des im Menschsein begründeten kollektiven Wahnsinns füllen den größeren Teil der Menschheitsgeschichte. Sie ist weitgehend eine Geschichte des Wahnsinns. Wenn die Geschichte der Menschheit der klinische Zustandsbericht eines einzelnen Menschen wäre, müsste die Diagnose lauten: chronische paranoide Wahnvorstellungen, ein pathologischer Hang zu Mord und anderen extremen Gewalt- und Gräueltaten gegenüber angeblichen »Feinden« – Projektion des eigenen Unbewussten nach außen. Verbrecherischer Wahnsinn im Wechsel mit ein paar kurzen lichten Momenten.
Angst, Gier und Machthunger sind nicht nur die Kräfte, die zu Krieg und Gewalt zwischen Stämmen, Nationen, Religionen und Ideologien motivieren, sondern auch die Ursache unaufhörlicher Konflikte in den persönlichen Beziehungen. Sie führen zu einer Verzerrung des Bildes, das man von sich selbst und anderen hat. Dadurch interpretiert man jede Situation falsch und verhält sich entsprechend falsch, um sich von seiner Angst zu befreien und das Verlangen nach mehr zu stillen, ein Fass ohne Boden. Wichtig ist jedoch, sich klarzumachen, dass Angst, Gier und Machthunger nicht etwa die Störung sind, von der wir gerade sprechen, sondern selbst durch die Störung entstehen: durch die tief sitzende, im Geist eines jeden Menschen begründete kollektive Täuschung. Etliche spirituelle Lehren raten uns, von Angst und Begierde abzulassen. Aber entsprechende spirituelle Übungen sind im Allgemeinen erfolglos. Sie reichen nicht an die Wurzel der Störung heran. Angst, Gier und Machthunger sind keine Grundursachen. Ein guter oder besserer Mensch werden zu wollen klingt wie etwas, das von hoher Gesinnung zeugt und empfehlenswert ist, dabei ist es ein Unterfangen, das zum Scheitern verurteilt ist, es sei denn, es vollzieht sich ein Bewusstseinswandel. Das liegt daran, dass dieser Wunsch selbst Teil der Störung ist, eine subtilere und raffiniertere Form der Selbsterhöhung, der Gier nach mehr, nach einer Stärkung der eigenen eingebildeten Identität oder des Selbstbildes. Wir werden nicht dadurch gut, dass wir versuchen, gut zu sein, sondern indem wir die Güte wiederfinden, die bereits in uns angelegt ist, und zulassen, dass sie hervorscheint. Sie kann aber nur dann hervorscheinen, wenn eine fundamentale Bewusstseinsveränderung eintritt.
Die Geschichte des Kommunismus, der ja ursprünglich von edlen Ideen inspiriert war, illustriert deutlich, was geschieht, wenn Leute versuchen, die äußere Wirklichkeit zu verändern – eine neue Erde zu schaffen –, ohne zuvor ihre innere Wirklichkeit, ihr Bewusstsein verändert zu haben. Sie machen ihre Pläne, ohne dabei das Grundmuster der Gestörtheit zu berücksichtigen, das jeder Mensch in sich trägt: das Ego. Das Erwachen eines neuen Bewusstseins Die meisten Religionen und spirituellen Traditionen gehen also von der gemeinsamen Erkenntnis aus, dass unsere »normale« Geistesverfassung durch einen fundamentalen Defekt gestört ist. Diese Einsicht in das Wesen des Menschseins – wir können sie die »schlechte Nachricht« nennen – führt jedoch zu einer zweiten Einsicht: der »guten Nachricht« von der Möglichkeit einer radikalen Transformation des menschlichen Bewusstseins. Im Hinduismus (manchmal auch im Buddhismus) wird diese Transformation Erleuchtung genannt. In der Lehre Jesu ist es die Erlösung und im Buddhismus die Aufhebung des Leidens. Befreiung und Erwachen sind weitere Begriffe, mit denen diese Verwandlung mitunter beschrieben wird. Die größte Leistung der Menschheit ist nicht die Kunst, Wissenschaft oder Technik, sondern die Erkenntnis dieser Störung, des eigenen Wahnsinns. In ferner Vergangenheit sind bereits ein paar Menschen zu dieser Einsicht gekommen. Ein Mann mit Namen Gautama Siddharta, der vor 2600 Jahren in Indien lebte, war vermutlich der Erste, der es mit absoluter Klarheit erkannte. Später wurde er der »Buddha« genannt. Buddha bedeutet »der Erwachte«. Ungefähr zur selben Zeit betrat in China ein weiterer erwachter Menschheitslehrer die Bühne. Er hieß Laotse. Seine Lehre ist uns in einem der grundlegendsten aller spirituellen Werke überliefert worden: dem Tao Te King. Mit der Einsicht in den eigenen Wahnsinn war natürlich die Gesundung gekoppelt, die zu Heilung und Transzendenz führte.
Eine neue Bewusstseinsdimension zeigte sich auf der Erde, eine erste zaghafte Blüte. Dann predigten die Betreffenden und belehrten ihre Zeitgenossen. Sie sprachen von Sünde, vom Leiden, von der Selbsttäuschung. Sie sagten: »Seht doch, wie ihr lebt. Seht, was ihr tut, wie viel Leid ihr verursacht.« Und sie zeigten ihnen die Möglichkeit des Erwachens aus dem kollektiven Alptraum des »normalen« Menschseins auf und wiesen ihnen den Weg. Wenn auch die Welt noch nicht reif für sie war, waren sie doch ein wichtiger, notwendiger Baustein für das menschliche Erwachen. Zwangsläufig wurden sie meist von ihren Zeitgenossen ebenso missverstanden wie von nachfolgenden Generationen. Ihre ebenso einfachen wie kraftvollen Lehren wurden verzerrt und fehlinterpretiert, in manchen Fällen schon durch die Niederschriften ihrer Anhänger. Im Lauf der Jahrhunderte wurde vieles hinzugefügt, was nichts mit der ursprünglichen Lehre zu tun hatte, sondern bloß ein fundamentales Unverständnis widerspiegelte. Einige Lehrer wurden lächerlich gemacht, andere geschmäht und getötet, wieder andere wie Götter verehrt. Lehren, die den Weg aus der Geistesgestörtheit und dem kollektiven Wahnsinn heraus wiesen, wurden verfälscht und flossen schließlich selbst in die Geistesgestörtheit ein.
So wurden die Religionen weitgehend zu Kräften, die Uneinigkeit statt Einigkeit stifteten. Statt Gewalt und Hass durch die Erkenntnis der grundsätzlichen Einheit allen Lebens zu beenden, lösten sie weiteren Hass und Gewalt aus, entzweiten die Menschen noch mehr und vertieften die Zwietracht zwischen den Religionen und sogar innerhalb einer Religion. Sie wurden zu Ideologien und Bekenntnissen, mit denen die Leute ihr falsches Selbstgefühl nähren und sich identifizieren konnten. Mit ihrer Hilfe konnten sie sich selbst ins »Recht« und andere ins »Unrecht« setzen, um so die eigene Identität im Gegensatz zu den Feinden, den »anderen«, zu definieren, zu den »Ungläubigen« oder »Ketzern«, zu deren Tötung sie sich oft berechtigt fühlten. Der Mensch schuf »Gott« nach seinem Bilde. Das Ewige, Unendliche und Namenlose wurde auf ein mentales Götzenbild reduziert, an das man glauben und das man als »meinen« oder »unseren« Gott verehren sollte. Und doch ... und doch leuchtet im innersten Kern der Religionen – allen Wahnsinnstaten, die in ihrem Namen begangen wurden, zum Trotz – noch immer ein Funken der Wahrheit, auf die sie verweisen. Er schimmert noch schwach durch die vielen Schichten der Verfälschungen und Fehlinterpretationen hindurch. Es ist wohl unwahrscheinlich, dass man ihn sieht, wenn man nicht schon im eigenen Innern einen flüchtigen Blick auf diese Wahrheit erhascht hat. In der Geschichte hat es immer einzelne Menschen gegeben, die einen Bewusstseinswandel erlebten und so das in sich selbst verwirklichten, worauf alle Religionen hinweisen. Um diese unfassbare Wahrheit zu beschreiben, bedienten sie sich dann der Begriffssprache ihrer jeweiligen Religion. Einige dieser Männer und Frauen begründeten »Schulen« oder Bewegungen in den großen Hauptreligionen, die nicht nur zur Wiederentdeckung der ursprünglichen Lehre führten, sondern manchmal auch deren anfängliche Leuchtkraft verstärkten. Auf diese Weise sind im frühen und mittelalterlichen Christentum die Gnostik und die Mystik entstanden, im Islam der Sufismus, im Judaismus der Chassidismus und die Kabbala, im Hinduismus der Advaita-Vedanta und im Buddhismus Zen und Dzogchen.
Die meisten dieser Schulen waren bilderstürmerisch. Sie entfernten die erstickenden geistigen Begriffssysteme und erstarrten Glaubensstrukturen Schicht um Schicht und wurden deshalb von der herrschenden religiösen Hierarchie mit Argwohn oder gar Feindseligkeit betrachtet. Im Gegensatz zur Mainstream-Religion legten ihre Lehren besonderen Wert auf Erkenntnis und innere Wandlung. Nur durch diese esoterischen Schulen oder Bewegungen vermochten die Hauptreligionen die transformative Kraft ihrer ursprünglichen Lehren wiederzugewinnen, obwohl in den meisten Fällen nur eine kleine Minderheit Zugang dazu hatte. Ihre Zahl war nie groß genug, um einen starken Einfluss auf das tiefe kollektive Unbewusste der Mehrheit auszuüben. Im Lauf der Zeit erstarrten einige dieser Schulen selbst wieder im Formalismus und in leeren Begriffen und verloren so ihre Wirksamkeit.
Spiritualität und Religion
Welche Rolle spielen die etablierten Religionen für die Entstehung des neuen Bewusstseins?
Vielen Menschen ist der Unterschied zwischen Spiritualität und Religion inzwischen bewusst. Ihnen ist klar, dass ein »fester Glauben« – ein System von Überzeugungen, die als absolute Wahrheit betrachtet werden – keinen spirituellen Menschen aus ihnen macht, wie immer diese Überzeugungen auch aussehen mögen. Im Gegenteil, je mehr wir uns mit unserem Denken (Glauben) identifizieren, umso mehr trennen wir uns von der spirituellen Dimension in uns. Viele »religiöse« Menschen hängen auf dieser Ebene fest. Sie setzen Wahrheit mit Denken gleich, und da sie sich vollkommen mit dem Denken (ihrem Verstand) identifizieren, behaupten sie – in dem unbewussten Bemühen, ihre Identität zu schützen –, allein im Besitz der Wahrheit zu sein. Sie machen sich keinen Begriff von der Beschränktheit des Denkens. Wer nicht genau dasselbe glaubt (denkt) wie sie, liegt in ihren Augen falsch, und das hat in nicht allzu ferner Vergangenheit als Rechtfertigung genügt, um den Betreffenden umzubringen. Und tut es für manche bis heute noch. Die neue Spiritualität, die Transformation des Bewusstseins, entsteht zu einem Großteil außerhalb der bestehenden institutionalisierten Religionen. Es gab selbst in den vom Verstand dominierten Religionen immer Nischen, in denen die Spiritualität überlebte, obwohl sich die etablierten Hierarchien davon bedroht fühlten und oft versuchten, sie zu unterdrücken. Ein Erwachen der Spiritualität in großem Umfang, und zwar außer- halb der religiösen Einrichtungen, ist eine vollkommen neue Entwicklung. Früher wäre so etwas unbegreiflich gewesen, besonders im kopflastigen Westen, wo die christlichen Kirchen den Alleinvertretungsanspruch auf die Spiritualität erhoben. Man konnte nicht einfach aufstehen und eine Predigt halten oder ein spirituelles Buch veröffentlichen, wenn man nicht durch die Kirche dazu sanktioniert war; andernfalls wurde man schnell zum Schweigen gebracht. Aber jetzt gibt es selbst in einigen Kirchen und Religionen Zeichen für eine Veränderung. Das ist herzerwärmend, und man ist schon für die kleinsten Anzeichen einer Öffnung dankbar wie etwa für den Moschee- und Synagogenbesuch des verstorbenen Papstes Johannes Paul II. Womöglich als Folge spiritueller Lehren, die außerhalb der etablierten Religionen aufkamen, aber auch durch den Einfluss östlicher Weisheitslehren ist eine wachsende Zahl von Anhängern traditioneller Religionen inzwischen in der Lage, die Identifikation mit Form, Dogma und starren Glaubenssystemen aufzugeben und nicht nur die in der eigenen spirituellen Tradition verborgene ursprüngliche Tiefe wiederzuentdecken, sondern auch die Tiefe im eigenen Innern. Ihnen geht auf, dass »spirituell sein« nichts mit dem zu tun hat, was man glaubt, sondern einzig vom Bewusstseinsstand abhängt. Der wiederum bestimmt, wie man sich in der Welt verhält und mit anderen interagiert. Wer nicht über die Form hinausblicken kann, verschanzt sich noch fester hinter seinem Glauben, das heißt, hinter seinem Verstand. Derzeit erleben wir nicht nur eine beispiellose Zunahme an Bewusstheit, sondern zugleich auch eine Verfestigung und Verstärkung des Ego.
Während sich einige religiöse Institutionen dem neuen Bewusstsein öffnen, halten andere noch strikter an ihren Doktrinen fest und tragen damit ihr Teil zu all den künstlichen Strukturen bei, mit denen sich das kollektive Ego verteidigt und »zurückschlägt«. Manche Kirchen, Sekten, Kulte und religiösen Bewegungen sind im Grunde Egokollektive und ebenso rigide mit ihrer jeweiligen Geisteshaltung identifiziert wie die Anhänger einer politischen Ideologie, die auch keiner alternativen Interpretation der Wirklichkeit zugänglich sind. Aber das Ego ist dazu bestimmt, sich aufzulösen, und all seine verknöcherten Strukturen, ob religiöse oder andere Institutionen, Unternehmen oder Regierungen, werden von innen her zerfallen, wie ehern sie auch nach außen erscheinen mögen. Die rigidesten Strukturen, die sich gegen jede Veränderung sträuben, werden als Erste zusammenbrechen. So ist es dem Sowjetkommunismus bereits ergangen. Er schien felsenfest gegründet, eisern und unerschütterlich zu sein, dabei löste er sich innerhalb weniger Jahre von innen her auf. Niemand hatte das vorausgesehen, alle wurden davon überrascht. Es warten noch eine Menge solcher Überraschungen auf uns. Die Dringlichkeit einer Transformation Wenn eine einzelne Lebensform – oder eine Spezies – mit einer tief greifenden Krise konfrontiert ist, wenn die alte Seinsweise, die alte Art des Umgangs miteinander und mit der Natur nicht mehr funktioniert und das Überleben von schier unüberwindlichen Problemen bedroht scheint, verendet sie und stirbt aus, oder sie geht mit einem evolutionären Sprung über die Grenzen dieses Zustands hinaus. Es wird angenommen, dass sich die ersten Lebensformen der Erde im Meer entwickelten. Während an Land noch keine Tiere zu finden waren, wimmelte es im Meer bereits von Leben. Irgendwann muss sich dann ein Meereslebewesen auf trockenes Land gewagt haben. Vielleicht ist es zuerst nur ein paar Zoll an Land gekrabbelt, um erschöpft von der enormen Anziehungskraft der Erde wieder ins Wasser zurückzukehren, wo die Schwerkraft fast nicht zu spüren ist und das Leben leichter fällt. Aber es muss immer wieder ein Geschöpf einen Versuch gemacht haben ...
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