INHALT
Einführung:
Ein Blick in die Blackbox der medizinischen Wunder ......................... 11
Teil 1: Unglaubliche Immunität .................. 35
Sprung ins Unmögliche ...................... 37
Sektion eines »Wunders« ........................ 41
Ein Hinweis, verborgen in der Geschichte ........... 55
Rückbesinnung auf eine Lektion aus der Vergangenheit .............................. 59
2. Geborene Killer............................. 63
Zücken Sie Ihre Geheimwaffe .................... 70
Kommunikationsaufbau: Wie man mit dem Immunsystem spricht ............ 77
Das Mikrobiom ............................... 83
Was macht krank, die Mikrobe oder das Milieu? ..... 85
Vom »Allheilmittel« zur »Antibiotikaresistenz« ...... 92
Voraussetzungen für die spontane Heilung .......... 98
Das Milieu ist alles ............................. 102
3. Essen Sie sich gesund ....................... 109
Eine E-Mail, die mein Leben veränderte . . . . . . . . . . . . 117
Die Lektionen eines krebsresistenten Landes ........ 134
Warum ist unser Körper nicht klüger? .............. 142
Verordnen Sie sich Ihre persönliche Ernährung . . . . . . . 145
Ein Rätsel .................................... 159
4. Unterbinden Sie den Krankheitsmechanismus... 163
Der Weg tödlicher Erkrankungen ................. 169
Begnadigung statt »lebenslänglich« ................ 175
Wenn das Immunsystem Ihr ärgster Feind ist ........ 182
Fokussierungskorrektur fürs Immunsystem . . . . . . . . . . 189
5. Aktivieren Sie den Heilmodus ................ 201
»Du musst loslassen« ........................... 209
Jenseits der Entspannung ........................ 217
Das Nervensystem: Die Gangschaltung des Körpers ................................... 221
Wenn die Gangschaltung klemmt.................. 225
Was wir von Teichschaum über die Unsterblichkeit lernen können ............. 229
Das Stressrätsel ................................ 237
6. Das heilende Herz .......................... 249
Fahrertraining ................................. 250
Die Medizin der Liebe .......................... 261
Das Überleben der Passendsten – oder der Nettesten? ...............270
Herzensweisheit ............................... 280
Leben im Heilmodus ........................... 284
Teil 2: Der wunderbare Geist ................... 291
7. Glaubensheilung und heilender Glaube ........ 293
Cleveland, Ohio, 2012 .......................... 293
Ein Hotspot der Heilung ........................ 301
»Ich werde für Sie beten« ........................ 306
»Wunder gibt es wirklich« ....................... 313
8. Die Macht der Placebos ..................... 324
Das Wundermittel, das keines war . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
Jenseits des Placeboeffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
Die Quantenphysik des Körpers .................. 343
Der Beobachtereffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
Tiefe Überzeugungen ........................... 354
9. Die Heilung der Identität .................... 360
Das perfekte Beispiel ........................... 364
Keine Zeit, um krank zu sein ..................... 367
Ein Tumor namens »Mel« ....................... 373
Die Bedeutung unserer Geschichte ................ 380
Was ist in Ihrer Blackbox gespeichert? ............. 383
Dem Ruhezustandsnetzwerk entkommen ........... 391
Eine »N = 1« werden ........................... 397
10. Sie sind nicht Ihre Krankheit ................ 405
Die Macht der Wahrnehmung .................... 409
Jim Bowie in El Álamo .......................... 414
Wenn aus Krankheit Identität wird ................ 425
Die Maske der Krankheit ablegen ................. 428
11. Den Tod heilen ............................ 435
Das Wunder des Todes .......................... 440
Die Weigerung, nach Plan zu sterben............... 442
Wie uns die Flucht vor dem Tod auslaugt ........... 451
Jede Geschichte geht einmal zu Ende ............... 456
Entscheidung fürs Leben ........................ 463
12. Verbrennen Sie Ihr Schiff.................... 467
Nehmen Sie Ihre Gesundheit selbst in die Hand ...... 471
Wenn Sie krank sind, ist das nicht Ihre Schuld ....... 481
Das Streichholz entzünden ....................... 491
Schlussbetrachtungen: Eine Medizin der Hoffnung und der Möglichkeiten ................ 500
Griechische Küste, 300–350 v. Chr. ................ 500
Honolulu, Hawaii, 2049......................... 503
Boston, Massachusetts, Gegenwart ................ 513
Hinweis des Autors ........................... 517
Dank ........................................ 519
Anmerkungen ................................ 524
Register ..................................... 535
Leseprobe:
Jahrelang hatten sie geplant und gespart, und bald sollte es losgehen. Doch dann geriet Claires behagliches, normales Leben allmählich aus den Fugen. Unklare, aber beunruhigende Symptome trieben sie zum Arzt: Ihr wurde immer öfter übel, und stechende Schmerzen fuhren ihr in den Bauch. Ihr Arzt riet besorgt zu einer Computertomografie (CT). Claire lag mit über den Kopf gestreckten Armen auf der Liege des CT-Geräts und versuchte, normal zu atmen. Sie hoffte, das starke Magnetfeld, durch das ihr Körper gerade geschoben wurde, würde nichts Auffälliges zutage fördern. Doch die Untersuchung offenbarte eine etwa zwei Zentimeter große Geschwulst an der Bauchspeicheldrüse. Eine Biopsie machte auch ihre letzten Hoffnungen zunichte: Die Geschwulst war bösartig; es war Krebs. Die Diagnose lautete Adenokarzinom des Pankreas – eine grausame, unheilbare Form von Bauchspeicheldrüsenkrebs.
In unserer Kultur ist »Krebs« ein Reizwort, ein Schreckgespenst und mehr als viele andere Krankheiten mit der Vorstellung von Verlust und Tod verbunden. In Wahrheit jedoch unterscheiden sich Krebserkrankungen bezüglich ihrer Heilungsmöglichkeiten und Remissionswahrscheinlichkeit. Einige Krebsarten sind nicht tödlich, und in diesen Fällen sterben die Betroffenen nicht an Krebs, sondern mit dem Krebs, der sich viele Jahre lang unauffällig verhalten kann, bis sie durch etwas anderes zu Tode kommen. Manche Krebsarten wachsen langsam, aber stetig; bei anderen schwankt die Größe ein paar Jahre lang. Viele Krebsarten sind unbehandelt tödlich, sprechen aber hervorragend auf eine Behandlung an – ob Operation, Chemo- oder Strahlentherapie. Bestimmte Krebsarten verschwinden sogar von allein, andere reagieren auf keine Therapie und werden ausschließlich palliativ versorgt in der Hoffnung, die Symptome zu lindern. Und viele unterschiedlich schwerwiegende Krebsarten fallen zwischen alle diese Kategorien.
Über Claires Krebserkrankung ist Folgendes bekannt: Das Pankreaskarzinom ist die tödlichste Form des Bauchspeicheldrüsenkrebses. Die Erkrankung schreitet schnell voran und endet mit einem grausamen Tod. Jedes Jahr wird sie bei ungefähr 45 000 Menschen in den Vereinigten Staaten und doppelt so vielen in Europa diagnostiziert. Die meisten von ihnen sterben innerhalb des ersten Jahres. Das Pankreaskarzinom steht sowohl bei Männern als auch bei Frauen an vierter Stelle der tödlichen Krebserkrankungen und wird vermutlich bald auf den dritten Platz vorrücken. Diese Diagnose ist ein Todesurteil. Die Frage ist nicht, ob Sie an der Krankheit sterben werden, sondern wann. Warum ist Bauchspeicheldrüsenkrebs so tödlich? In den frühen Stadien verursacht die Erkrankung keine Symptome. Der Krebs schreitet heimlich, still und leise voran. Bei den ersten Anzeichen – Appetitverlust, Gewichtsverlust, Rückenschmerzen, gelegentlich auch eine leichte Gelbfärbung von Haut und Augen – ist es bereits zu spät. Zu diesem Zeitpunkt hat der Krebs meist schon gestreut. Eine Behandlung kann das Leben verlängern, aber nicht retten. Die Mehrzahl der Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs (96 Prozent) stirbt innerhalb von fünf Jahren an der Erkrankung, die meisten erliegen ihr aber schon viel früher. Nach Diagnosestellung werden die Überlebensaussichten mit einer Behandlung üblicherweise auf drei bis sechs Monate geschätzt. Daran gemessen hatte Claire noch Glück; die Ärzte gaben ihr ein Jahr. Die Zukunft, der Claire entgegengesehen hatte – ihr Garten, Hawaii und ein beschaulicher Ruhestand mit ihrem Mann –, löste sich über Nacht in Luft auf. Wie ein Hurrikan fegte der Krebs hindurch und riss alles mit sich fort.
Nach der Diagnose musste Claire zwei Wochen auf einen Termin bei einem Chirurgen warten. Familie und Freunde waren über die lange Wartezeit entsetzt. Schließlich litt Claire an aggressivem Bauchspeicheldrüsenkrebs! Sollte der denn nicht so schnell wie möglich entfernt werden? Wie sollte sie wochenlang in dem Wissen weiterleben, dass sie diesen Krebs in sich trug, der möglicherweise weiterwuchs und sich vielleicht sogar ausbreitete? Doch Claire war froh um die Pause. Sie musste sich wieder fangen. Nach der tödlichen Diagnose erschien ihr alles wie ein bizarrer Traum. Mit einem Mal hatte ihr Leben ein klar definiertes Ende. Die Eisenbahnschienen liefen vor ihren Augen geradewegs auf einen Abgrund zu. Es war unwirklich. Hinzu kam die Art und Weise, wie sie von den Ärzten behandelt wurde: wie eine Aufgabe, die es abzuhaken galt; wie ein Körper, der zur nächsten Behandlung weitergeschoben werden musste. Als Patientin hatte Claire das Gefühl, in der Maschinerie des Gesundheitssystems gefangen zu sein und wie auf einem Fließband unerbittlich von einer Station zur nächsten befördert zu werden. Es fühlte sich vorgezeichnet, unpersönlich, wie reine Routine an.
Zu Hause stürzte sie sich mit ganzer Kraft in die Recherchen zu ihrer Krankheit. Sie verschlang Bücher, Artikel und Internettexte auf der Suche nach einem Hoffnungsschimmer – nach etwas, was ihre Ärzte unerwähnt gelassen hatten. Doch die ganze Lektüre bestätigte nur, was man ihr bereits gesagt hatte: dass niemand diesen Krebs überlebte. Claire durchforstete das Internet nach Geschichten von Remission oder Überleben und wäre schon mit einer einzigen zufrieden gewesen. Doch sie fand nichts. Ihre einzige Überlebenschance war die sogenannte Kausch-Whipple-Operation, kurz »Whipple-OP«. Dabei würden die Ärzte einen Teil der Bauchspeicheldrüse, die Gallenblase, Teile des Dünndarms (Zwölffingerdarm und Leerdarm) sowie möglicherweise auch Teile des Magens und der Milz entfernen. Bei dieser Operation konnten ernste Nebenwirkungen und Komplikationen auftreten. Schließlich sollte ein Teil der Bauchspeicheldrüse entfernt werden, die wichtige Aufgaben erfüllte – unter anderem bei der Blutzuckerregulierung und der Aufspaltung der Nahrung. Pankreasenzyme sind sehr stark. Wenn sie durchsickern, was nach einer Whipple-OP häufig vorkommt, kann dies unerträgliche Schmerzen verursachen. Nach dem Eingriff musste Claire also mit dem schmerzhaften Austreten von Pankreasenzymen sowie Wassereinlagerungen, Magenkrämpfen und quälenden Blähungen rechnen. Es bestand die Gefahr, dass sich langfristig Diabetes, Anämie und Verdauungsstörungen einstellten, die Symptome wie Abgeschlagenheit, Schwäche sowie einen Vitamin- und Mineralstoffmangel verursachten.
Claire konnte nicht schlafen und notierte sich bis spät in die Nacht Fragen für die Besprechung mit ihrem Chirurgen. Ist die Whipple-OP die einzige Möglichkeit? Werde ich Diabetes oder eine Magenlähmung bekommen, wenn ich mich für die Operation entscheide? Werde ich je wieder normal essen können? Werde ich Schmerzen haben? Wenn ja, wie lange? Wie lange wird die Genesung dauern? Geht die Erschöpfung, von der man so viel liest, irgendwann auch wieder weg? Wie oft haben Sie diese Operation schon gemacht? Mit welchen Ergebnissen? Wie oft wird diese Operation in diesem Krankenhaus durchgeführt? Wie sind die Resultate?
Die Ergebnisse der Operation, sagte Claires Chirurg bei ihrem Termin, seien nicht berauschend. Er war ehrlich und direkt, und das wusste sie zu schätzen. Sie bat ihn, aufrichtig zu ihr zu sein, und das war er. Ihr zwei Zentimeter großes Pankreaskarzinom sei respektabel, könne also mit der Whipple-OP chirurgisch entfernt werden. Dies sei ihre einzige Chance auf Heilung. Doch der Eingriff sei riskant – lang, unvollkommen und von zweifelhaftem Ausgang. Er legte seinen Operationsatlas auf den Tisch und schlug die Seite mit den Möglichkeiten auf, die Operationswunde zu schließen: Es war eine enzyklopädische Auflistung verschiedener Techniken, den Patienten wieder zusammenzuflicken, nachdem man ihn auseinandergenommen hatte.
»Sehen Sie, wie viele verschiedene Möglichkeiten es gibt, diese Operation abzuschließen? Wissen Sie, was das heißt?« Er sah ihr fest in die Augen. »Es heißt, dass es keine guten Möglichkeiten gibt.«Er sagte, der Eingriff könne bis zu acht Stunden dauern. Sollte sie einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erleiden, dann auf dem Operationstisch. Die Statistiken widersprachen sich. Einige Quellen bezifferten Claires Risiko, bei der Operation zu sterben, auf lediglich 2 Prozent, andere auf 15 Prozent. Dem Chirurgen zufolge lag ihre Chance, danach noch fünf Jahre zu leben, bei ungefähr 5 Prozent. Die meisten Menschen mit ihrer Krebserkrankung würden auch mit einer Whipple-OP innerhalb dieses Zeitraums an der Krankheit sterben. An dieser Stelle warf der Onkologe ein, dass die Fünf-Jahres-Überlebensrate eher bei 20 Prozent liege, doch der Chirurg beharrte auf seinen Zahlen, und es kam zum Streit.
»Hören Sie«, sagte der Chirurg schließlich. »Manche Ärzte würden versuchen, Ihnen diese Operation zu verkaufen. Aber ich muss nichts mehr beweisen. Ich habe diesen Eingriff oft genug gemacht. Ich brauche das Geld nicht. Ich habe mein Boot.«Claire merkte ihm an, dass er sie heilen wollte. Er war Chirurg und darauf geschult, »Dinge zu reparieren« und einen Zauber aus wissenschaftlicher Präzision zu wirken. Doch auf ihre Bitte hin sagte er ihr auch die ungeschminkte Wahrheit. Daheim schaute sie sich YouTube-Videos an, in denen Patienten die furchtbaren Nebenwirkungen der Whipple-OP schilderten und sich dabei vor Schmerzen krümmten. Sie suchte nach statistischen Angaben zu den Überlebensraten. Sie weinte. Sie betete. Sie stellte sich schwierige Fragen: Wie viele Schmerzen halte ich aus? Wie viele Schmerzen will ich den Rest meines Lebens ertragen? Mit wie vielen Einschränkungen bin ich bereit zu leben? Kann ich damit leben, nie wieder in den Bergen zu wandern?
Am Ende entschied sich Claire gegen die Operation. Sie wollte ihre restliche Zeit nicht damit verbringen, einer aller Wahrscheinlichkeit nicht zu erwartenden Heilung nachzujagen und in den Sprech- und Wartezimmern von Ärzten herumzusitzen. »Ich wollte den Dingen ihren Lauf lassen«, sagt sie. »Ich wollte in der Zeit, die mir noch blieb, mit so viel Begeisterung und Freude leben wie möglich.«Im Jahr 2013, fünf Jahre nach ihrer Diagnose und ihrer düsteren Prognose, musste Claire wegen einer Sache ins Krankenhaus, die nichts mit dem Krebs zu tun hatte und eine computertomografische Untersuchung ihres Bauchs erforderlich machte. Es war das erste Mal seit der Diagnose, dass irgendwelche Aufnahmen gemacht wurden. Sie war davon ausgegangen, dass sie sterben würde, und hatte sich einfach aufs Leben konzentriert. Und die Zeit war verstrichen. Die Ärzte hatten zwar nicht vorgehabt, sich die Bauchspeicheldrüse anzuschauen, doch sie war auf der Aufnahme ebenfalls zu erkennen – und sie war gesund. Von dem Tumor war nichts mehr zu sehen.
Ihre verblüfften Ärzte setzten eine Konferenz zur Prüfung ihrer Diagnose an und ließen die Gewebeschnitte ihrer Biopsie kommen. Sie waren überzeugt, dass ein Fehler passiert war. Doch die Diagnose war korrekt gewesen. Obwohl dies eigentlich unmöglich schien, war Claires Pankreaskarzinom ohne Behandlung oder Operation verschwunden. Wie war das möglich? Das wusste keiner so genau, auch nicht Claire selbst. Ihre Ärzte wussten nur, was sie nicht gemacht hatte: keine Operation, keine Chemo- und keine Strahlentherapie.
Wie ich von ihr wusste, hatte Claire nach der Diagnose durchaus wichtige Veränderungen vorgenommen, doch keiner ihrer Ärzte interessierte sich dafür. Sie sagten, ihre Erfahrung habe »keinerlei medizinischen Wert«. Sie gehöre schlicht zu jenen unerklärlichen Phänomenen, jenen Glücksfällen, die bei einer Million Patienten ein Mal vorkämen. Viele Menschen würden einen Fall wie Claires als »Wunder« bezeichnen. Wir Ärzte sprechen in solchen Fällen von »Spontanremission«. Aber unabhängig von der Bezeichnung sind und bleiben solche Heilungen eine Blackbox, welche die medizinische Wissenschaft nur in den seltensten Fällen öffnet und untersucht.»Spontan« bedeutet »ohne Ursache«, doch in Wahrheit suchen wir meist gar nicht erst danach.
In der Geschichte der Medizin wurden außergewöhnliche Fälle der Heilung von unheilbaren Krankheiten bislang so gut wie nie mit streng wissenschaftlichen Mitteln untersucht. Der gesunde Menschenverstand würde uns sagen, dass wir diese Fälle unbedingt erforschen sollten; dass diese Menschen über tiefgreifende Heilungsstrategien gestolpert sein könnten, die uns interessieren sollten. Und doch sind Spontanremissionen ein beinah gänzlich unerforschtes Terrain. Wir stufen Menschen wie Claire als »Glücksfälle« und »Ausreißer« ein und akzeptieren die Geschichte von der Unerklärbarkeit ihrer Heilung.
Ich aber betrachte Menschen, die eine außergewöhnliche Heilung erfahren haben, ebenso wenig als »Glücksfälle« oder »Ausreißer« wie Menschen, die in anderen Bereichen Außergewöhnliches leisten. Natürlich sind Serena Williams und Michael Jordan »Ausreißer« oder besser »Überflieger«. Aber sie sind auch leuchtende Beispiele menschlichen Könnens; und indem wir ihre Methoden und Techniken untersuchen, verstehen wir möglicherweise besser, wie wir die eigenen optimieren können.
Im Jahr 1968 nahm der amerikanische Weitspringer Bob Beamon bei den Olympischen Sommerspielen in Mexico City Anlauf auf die mit Sand gefüllte Sprunggrube und sprang in die Luft. In der Aufzeichnung des Wettkampfs hat es den Anschein, als fliege er mit der Brust voraus wie ein Vogel, ehe er die Füße nach vorn streckte, um nach dem Sand zu greifen. Er brach den Weltrekord um 55 Zentimeter: Die Menge war erschüttert, und der Wettkampf war damit im Grunde zu Ende. Beobachter sagten, der Sprung sei »unglaublich« gewesen. Er war weiter, als die Geräte messen konnten, und wurde als »Sprung ins 21. Jahrhundert« bekannt. Sofort versuchten Sportler und Wissenschaftler herauszufinden, wie Beamon es gemacht hatte und wie man ihn schlagen konnte. Dennoch vergingen fast 23 Jahre, bis der neue Weltrekord gebrochen wurde. Wenn etwas Ähnliches im Gesundheitswesen geschieht – wenn es einem Menschen, den die Medizin im Grunde zum Tode verurteilt hat, mit einem Mal besser geht –, sind wir dagegen beinahe peinlich berührt. Man betrachtet diese bemerkenswerten Fälle weniger als Inspiration, sondern vielmehr als Bedrohung für das System, und geht ungeprüft darüber hinweg. »Rätsel«, »Wunder«, »Glücksfall«, »Ausreißer«: Wir haben viele Bezeichnungen, aber kaum Erklärungen dafür. ...